Unterricht

Geschichten aus der Schule

lupe

Zu der einflussreichsten Drohung die ein Lehrer zu meiner Schulzeit aussprechen konnte, gehörte zweifelsfrei ein Eintrag ins Klassenbuch. Dies führte bei mehrmaligen Eintragungen unweigerlich zu einem „bösen“ Brief an die Erziehungsberechtigten, den ich man dann von den Eltern präsentiert bekam.

Das Klassenbuch war – zumindest zu unserer Zeit – ein schulisches Dokument zur Verwaltung der Verfehlungen der Schüler, des behandelten Unterrichtsstoffes und der – die älteren werden es noch kennen – Hausaufgaben. Das Klassenbuch enthielt ein Schülerverzeichnis, oftmals auch den Stundenplan sowie den Dienstplan der Lehrer.

Darin wurde auch oft der Klassenstreber vermerkt, damit der diensthabende Lehrer mit einem Blick erkennen konnte, wen er ohne Gegenwehr zum Tafel abputzen zwingen konnte. Das Klassenbuch wurde in der gymnasialen Unter- und Mittelstufe, aber auch in der Realschule eingesetzt. Nur an der Hauptschule war das Klassenbuch unüblich, weil dort nämlich wegen des damals schon hohen AusländerMigrantenanteils sowieso niemand Deutsch schreiben konnte.

Unbeliebt unter Schülern waren solch sinnfreie Einträge ins wie etwa „Schüler X raucht im Unterricht“ oder „Schülerin Y kommt halbnackt zur Schule“ bzw. auch „Modische Entgleisung“. Um derlei Vorstrafenregister effektiv abzubauen, ließ sich eine allerdings verschwindend kleine Prozentzahl an Schülern dazu herab, den Klassensprecher zu mimen.

Klassensprecher waren meistens faule Mitschüler, die ab und an vom Unterricht befreit wurden, um an konspirativen Versammlungen teilzunehmen. Klassensprecher bekamen meistens später die tollsten berufe, wie z.b. Profiboxer, Alleinunterhalter oder Playmate.

Die besten Chancen auf einen Job als Klassensprecher hatten Brillenträger und notorische Streber, da sie ohnehin nicht lernen mussten und alles automatisch wussten. Ein extrem hart gezogener Linksscheitel konnte bei der Bestellung zu dieser Funktion ebenfalls sehr hilfreich sein. Und obwohl ich absolut nicht zu den genannten Beispielen gezählt werden konnte, hatte auch ich die zweifelhafte Ehre, 2 Jahre als Klassensprecher zu dienen fungieren.

Da ich außer einem großen Mundwerk nicht viel zu bieten hatte, reizte mich die gelegentliche Freistellung vom Unterricht und ich willigte ein diesen Job zu machen. Und schon kurz nach der Wahl war ich der Blödmann. Das was mich jahrelang abgehalten hatte diesen Job gut zu finden, prasselte nun auf mich ein.

Neben dem obligatorischen „Verantwortung tragen“ konnte ich mir nun auch die Probleme unserer Hinterbänkler anhören, denen ich meinen jahrelang angestammten Platz nun auch noch überlassen musste. Und das nur, weil unser Klassenlehrer seinen „Verantwortlichen“ besser im Blick haben wollte. Und mich deshalb in die erste Reihe strafversetzte. Aber was tat man nicht alles, um die Zahl der Klassenbucheinträge zu reduzieren.

Denn das war, bis zu meinem Schulabschluß, das einzig wirklich gute an dem Job: Einen Eintrag ins Klassenbuch habe ich nie mehr bekommen! Naja, zu irgendetwas musste es ja gut sein… Gibt es eigentlich heute noch das Klassenbuch? Und Klassensprecher? Kennt sich da noch jemand aus? Wer von euch war auch Klassensprecher?

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Schulzeit oder Leidenszeit?

papierSchulerlebnisse…

Meinen schulischen Werdegang kann man alles in allem als durchwachsen bezeichnen. Das Lernen an sich war da noch das geringste Problem, eher die Anwesenheit. Dabei hatte ich es in frühen Jugendzeiten gar nicht erwarten können, endlich in die Schule zu kommen. Von meinen Eltern war mir nämlich vorgespiegelt worden, Schule sei etwas ganz tolles. Aber schon wenige Wochen nach der Einschulung bemerkte ich, dass ich in diesem Punkt schändlich belogen worden war.

Schule war für mich immer etwas, wofür man furchtbar früh aufstehen musste. Die Schule war ein Ort, an dem es so chaotisch zuging, so dass die überforderte Grundschullehrerin mich öfter einmal den schlimmsten an die Tafel malen lassen musste, damit mit dem Rest der Klasse wenigstens im Ansatz ein Unterricht stattfinden konnte. Und schließlich war die Schule ein Ort, wo unter den Kindern nur derjenige etwas galt, der gut Fußball spielen konnte. Zumindest da hatte ich bei meinem Sportlehrer einen Stein im Brett.

Zu den Highlights meiner Grundschulzeit gehörte der Religionsunterricht bei Pfarrer Kirsch. „Guten Morgen, Herr Pfarrer“ mussten wir ihn zu jeder Religionsstunde begrüßen. Und uns nach Beendigung der Stunde auch wieder im Chor von ihm verabschieden. Doch an einem Tag, ich war mittlerweile in der vierten Klasse, blieb ich stumm. Ich lag zum Unterrichtsende nämlich unter dem Tisch und war kaum bei Bewußtsein. Vorausgegangen war eine überaus detaillierte Schilderung der Leiden Christi…

Bei der Kreuzigung seien die Nägel nämlich nicht durch die Handflächen getrieben worden, wie man es auf Bildern immer sehe. Nein, dies würde am Kreuz ausreißen, wenn das Gewicht eines erwachsenen Mannes daran hinge. Deshalb beschrieb er uns äußerst wahrheitsgetreu, man habe die Nägel gleich neben dem Handgelenk zwischen Elle und Speiche durchs Fleisch gebohrt. Dort, wo auch die Nervenbahnen verlaufen würden, was natürlich bestialische Schmerzen zur Folge gehabt hätte.

Das war dann für eine zartbesaitete Natur wie mich zuviel. Dem kleinen Hansi wurde schlecht und er rutschte unter den Tisch. Was den Pfarrer allerdings nicht daran hinderte, unbeirrt mit seinem Unterricht fortzufahren, wie man mir nach meiner Ohnmacht berichtete. Erwähneswert wäre vielleicht auch noch das Krippenspiel, das wir im dritten Schuljahr aufführen sollten. Meine Klassenlehrerin, eine gebürtige Holländerin, hatte mir die Rolle des Josef zugedacht. Es wurde auch ein großer Lacherfolg, da ich den mir zugedachten Text eigenhändig umgestaltete und das ganze in Kölner Mundart darbot. Was nicht nur meine Nebendarsteller entsprechend irritierte, sondern mir nach Beendigung der Vorstellung und dem noch anhaltenden Applaus der anwesenden Zuschauer auch eine Ohrfeige meiner holländischen Aussiedlerin Klassenlehrerin einbrachte. Kunstbanausin…

Wenn ich gerade nicht ohnmächtig war oder Theater spielte, saß ich während der Grundschuljahre meistens brav im Unterricht, hörte zu und hatte ohne erheblichen Aufwand ganz ordentliche Noten. Dementsprechend groß war die Überraschung, als dies nach dem Schulwechsel zur weiterführenden Schule plötzlich nicht mehr funktionierte. Das mag zum einen an einem mir äußerst unsympathischen Klassenlehrer gelegen haben, zum anderen war ich es nicht gewohnt, die nachmittägliche Fußball-Freizeit mit Tätigkeiten wie z.b. Vokabellernen zu vertauschen. Und ich machte auch vorerst keine Anstalten mich umzugewöhnen.

So bedurfte es lediglich dreier Mathearbeiten bis zur ersten Sechs. „Errare humanum est“ (Irren ist menschlich) hatte ich unter die letzte geschrieben. Dies imponierte zwar meiner Mathelehrerin sehr, weil wir nämlich zu diesem Zeitpunkt noch gar kein Latein hatten, erboste sie aber umso mehr, weil dies das einzige fehlerfreie in der ganzen Arbeit war. Leider war auch in den nachfolgenden Schuljahren Vokabeln lernen und Hausaufgaben machen gefragt. Hinsichtlich meiner Arbeitsmoral war die Beschreibung meiner Englischlehrerin recht treffend: „Eigentlich müßte über dir ein schwarzer Fleck an der Decke sein, Hans. So sehr stinkst du vor Faulheit zum Himmel!“ In der Folgezeit benutzte ich dann ein Deodorant um nicht allzu sehr aufzufallen.

Konsequent wie ich nun einmal war und immer noch bin, handelte ich mir im Laufe der Jahre in fast allen Hauptfächern zum Halbjahr mindestens eine Fünf ein. Um diese zur anstehenden Versetzung in bravouröser Manier und mit geringfügigem Arbeitsaufwand wieder wett zu machen. Nur in Deutsch hatte ich nie eine Fünf. Denn da reichte es nach wie vor, nur dazusitzen und zuzuhören, wie unser Deutschlehrer seine witzigen Anekdoten aus dem 2. Weltkrieg darbot.

Leser im schulpflichtigen Alter warne ich allerdings vor Nachahmung! Es war gar nicht so einfach, aus dem Sumpf der Fünfen zu entkommen. In Englisch zum Beispiel ließ eine amerikanische Brieffreundin mein Interesse an Frauen der Sprache erwachen. In Mathe klappte es mit ein wenig Unterstützung der besagten Lehrerin, die ich unter Einsatz meines Jungmänner-Charmes quasi um den kleinen Finger wickelte. In Physik, Chemie, Biologie und Geografie war es durchaus hilfreich, einen guten Banknachbarn in Kombination mit der ein oder anderen Zigarette bei Laune zu halten.

Durch intensives büffeln göttliche Fügung wurde mir nach jahrelanger Leidenszeit dann zu meiner eigenen Überraschung das viertbeste Abschlußzeugnis überreicht. So traf es eigentlich die Falschen, als ich in unserer Abschlußzeitung mit der Schulzeit abrechnete. Mein geliebter Kunstlehrer mit der neckischen Nickelbrille, den ich eigentlich sehr gut leiden konnte, schrieb gar einen zweiseitigen Brief, in dem er seinen Unterricht rechtfertigte. Natürlich wären viele seiner Argumente locker zu widerlegen gewesen. Trotzdem ließ ich die Angelegenheit auf sich beruhen.

Zum einen war die Schule endlich vorbei, zum anderen war dieser Lehrer Amateurboxer.

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